«You are terrified of your own children, since they are natives in a world where you will always be immigrants.» Dieses Zitat stammt aus der 1996 veröffentlichten Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace von John Perry Barlow. Dabei wurde zum ersten Mal der Begriff «Native» im technologischen Zusammenhang verwendet. Barlow erfasste schon damals den digitalen Graben zwischen Digital Natives und Digital Immigrants. Viele kennen vermutlich die YouTube-Videos, in welchen Kleinkinder Zeitungen und Zeitschriften mit ihren Fingern berühren und wie Tablets bedienen möchten. Für diese jüngsten Digital Natives sind Magazine wie iPads, welche nicht funktionieren. Sie sind mit den digitalen Kanälen und digitalen Geräten aufgewachsen und nutzen diese intuitiv. Ganz anders die Digital Immigrants, welche damit erst im Erwachsenenalter in Berührung gekommen sind und die Nutzung erst nach und nach erlernen. Es erstaunt also nicht, dass die «digitalen Ureinwohner» ein anderes Know-how über Social Media oder das Smartphone haben als die «digitalen Einwanderer». Denn jeder, der schon einmal alte Verhaltensweisen oder falsch Einstudiertes korrigieren wollte, weiss: Neu lernen ist bedeutend leichter als umlernen.

Liebe Verwaltungsräte, Geschäftsleitungsmitglieder und Senior Manager sucht euch einen 20-jährigen Mentor, der Smartphone-süchtig ist und Snapchat und Tiktok versteht. Denn, die digitale Transformation wird jede Branche verändern – auch Ihre. Das böse Wort, welches mit «D» beginnt und mit «-isruption» endet, möchte ich an dieser Stelle gar nicht nennen. Viele Unternehmen haben es dringend nötig, dass betriebliche Barrieren wie Hierarchien, Abteilungsgrenzen und Generationenkonflikte abgebaut werden. Damit Sie als C-Level-Mitglied bei diesem Ansatz «Praktikant coacht Geschäftsleitung» nicht blossgestellt werden, müssen Sie ihm einfach den coolen englischen Fachbegriff «Reverse Mentoring» geben.  

Das Reverse Mentoring kehrt die Rollen des gewöhnlichen Mentorings um. Die Devise lautet: Junior coacht Senior. Als geistiger Vater dieses Konzepts gilt Jack Welsh, damals Unternehmenschef des US-Konzerns General Electric. In den 1990er-Jahren erkannte er, dass sein Managementteam über das an Bedeutung gewinnende Internet nur wenig wusste. So forderte er hunderte von Führungskräfte auf, sich im Unternehmen einen Mentor zwischen 20 und 30 Jahren zu suchen, welcher mit dem Web vertraut war. Auch er selber suchte sich als Vorbildfunktion einen entsprechenden Mentor. In vielen Unternehmen in der Schweiz wie beispielsweise bei der Swisscom, der SBB, der Post, Postfinance oder Credit Suisse wird Reverse Mentoring bereits aktiv gelebt. Und wann starten Sie damit?

Dieser Artikel wurde leicht verändert zum ersten Mal im Januar 2017 als Kolumne in der Werbewoche publiziert.

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